Aktuelles aus der Coaching Welt

Das positive Feedback spielt keine Rolle

 

Wie man als Unternehmen hohe Qualität anstrebt und dabei gleichzeitig gute Dienstleister vergrault – das habe ich 2022 selbst erlebt.

In diesem Video teile ich meine Erfahrungen und verrate im Blogbeitrag unten, was das Ganze mit dem Wertequadrat zu tun hat.

Als Leiterin der HR Akademie München bin ich in unterschiedlichen Rollen unterwegs. Als Coach und Beraterin bin ich Dienstleisterin für Kunden. Als Unternehmensinhaberin bin ich gleichzeitig Auftraggeberin für andere Dienstleister, die für mich Leistungen erbringen.

Was ist aus meiner Sicht wichtig in beiden Rollen?

Dazu ein kurzer Ausflug zum Wertequadrat, eines der wertvollsten Coaching Tools, mit denen sich vieles erklärbar machen lässt. Die Grundidee des Wertequadrats besteht darin, dass man seine eigenen Werthaltungen immer in ausgewogener Form lebt. Und sie nicht übertreibt. Denn dann wird es ganz schnell kontraproduktiv. Und wir ecken bei anderen Menschen an. Aus dem Wert Sparsamkeit wird in übertrieben gelebter Form der Geiz. Aus dem Wert Ehrlichkeit wird verletzende Direktheit, wenn wir immer und überall ganz ehrlich aussprechen, was wir gerade denken.

Was schützt uns vor der Übertreibung?

Zu jedem Wert gibt es einen ausgleichenden „Schwesterwert“. Etwas, das uns in Balance hält und Übertreibungen vorbeugt. Wenn sich zu Sparsamkeit situativ immer mal wieder die Großzügigkeit gesellt, bin ich in meinem Verhalten ausgewogen. Auch wenn ich als sehr ehrlicher Mensch situativ in der Lage bin, diplomatische Worte zu finden, bringt mich das in eine Balance. Und schützt mich davor, andere zu verletzen.

Wie schaut es aber aus, wenn der Ausgleich nicht stattfindet?

Dazu ein aktuelles Beispiel aus meinem eigenen Dienstleister-Alltag:

Frau X, Personalentwicklerin aus dem Unternehmen Y, strebt für interne Weiterbildungsmaßnahmen eine sehr hohe Qualität an. Sie möchte sicherstellen, dass externe Dienstleister keine Maßnahmen von der Stange liefern, sondern sich inhaltlich zu 100% auf die speziellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden fokussieren. Auch an die methodischen Kompetenzen stellt sie sehr hohe Anforderungen.

Halten wir fest: Ihr Wert ist Qualität.

Im Kontakt mit mir als Dienstleisterin legt sie mit skeptischem Blick den Fokus auf jedes kleine Detail. Ob bei der Abstimmung eines Trainingskonzepts oder auch in der Rückschau auf vergangene Workshop Tage: Die Qualitätssicherung steht so stark im Vordergrund, dass sie jede Form von „Fehler“ ausschließen möchte. Wir erreichen eine Ebene, die sehr granular ist. „Das Rollenspiel dauert 15 Minuten. Aus meiner Sicht würden hier 12 Minuten völlig ausreichen.“

Zum Auftakt eines Feedbackgesprächs in größerer Runde startet sie mit starrem Gesicht mit den Worten: „Wir haben uns noch mal Feedback eingeholt, Frau Reimer. Die positiven Punkte lassen wir jetzt beiseite. Darum geht es ja heute nicht. Es geht ja darum, dass wir besser werden wollen!“ Vor meinen Augen taucht ein virtuelles Pinnboard auf. Bestückt mit ca. 20 Kritikpunkten zu Inhalten, Methodik, Unterlagen und meiner Moderation. Ich fühle mich in die 8. Klasse zurückversetzt.
Ich verliere jede Lust an der Zusammenarbeit. Die bereits durchgeführten Trainings haben nicht nur mir, sondern auch den Teilnehmenden viel Freude bereitet. Das unmittelbare Feedback dazu war durchweg positiv. Aussagen wie „ich hätte nicht gedacht, dass ich hier so viel Neues lernen kann“ oder „Danke, für diesen hilfreichen Workshop“ klingen noch in meinen Ohren.

Auch ich möchte unbedingt eine top Qualität abliefern! Aber was mir im Kontakt mit meiner Kundin fehlt, ist das wertschätzende Miteinander.

Ohne Wertschätzung wird das Streben nach hoher Qualität in dieser Situation zu einer überkritischen Fehlersuche. Ich erlebe Geringschätzung.

Das Wertequadrat hilft mir zu verstehen, wovor meine Auftraggeberin sich vermutlich sorgt. Meine Hypothese: Sie befürchtet, dass ein zu wertschätzender Umgang mit mir als Dienstleisterin dazu führen könnte, dass die Ernsthaftigkeit verloren geht. Dass ich mich nicht ausreichend anstrenge und dies letztlich zu einem Qualitätsverlust führt. Sie entscheidet sich dafür, mich lieber „hart an die Kandare“ zu nehmen und mir vor Augen zu führen, dass ich mich stark bemühen muss, um ihren Ansprüchen als Auftraggeberin gerecht zu werden. Damit fällt sie jedoch in eine Übertreibung. Sie verliert die Wertschätzung. Und damit auch mich als Dienstleisterin.

Wertschätzung

Qualität

Qualitätsverlust

Geringschätzung

 

Was ich gelernt habe?

Wenn Kunde und Dienstleister gemeinsam eine hohe Qualität anstreben und gleichzeitig wertschätzend miteinander umgehen, entsteht eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Die Qualität wird mit der Zeit immer weiter steigen. Denn wenn ich mich als Dienstleister wertgeschätzt fühle, bin ich auch motiviert, meine Leistung immer weiter zu steigern und zu verbessern. Das führt zu noch mehr Wertschätzung auf Kundenseite. Es entsteht ein positiv verstärkender Rückkopplungsprozess.

Nach diesem Erlebnis weiß ich noch mal mehr zu schätzen, wie wertvoll es ist, mit vielen meiner Kunden über Jahre hinweg Qualität und Wertschätzung gemeinsam zu leben.

Danke, dass ich für Sie arbeiten darf! Es macht riesig Spaß! Und wir werden immer besser!